Ursula Lehr
Wir erleben heute und auch in Zukunft einen demographischen und gesellschaftlichen Wandel. Es gibt immer mehr ältere Menschen, und gleichzeitig sinkt die Geburtenrate, sodass Psychologen, die Gesellschaft und die Wirtschaft gefordert sind, altersangemessene Umweltgestaltung anzustreben und Familienpolitik attraktiver zu betreiben.
Die alternde Gesellschaft und deren Gründe
Der durchschnittliche Mann wird heute 76 Jahre und eine Frau 82 Jahre alt.
In fünfzig Jahren werden wir in Österreich über 11 600 Hundertjährige haben und von 80 Personen werden nur mehr 5,5 Personen gegenüber den 75-Jährigen stehen.
Die Gründe für den Geburtenrückgang sind vielseitig.
Ein ausschlaggebender Grund war auf jeden Fall die Einführung der „Pille“.
Außerdem wird noch immer ein Kind als reiner „Kostenfaktor“ gesehen, und nicht zu vergessen ist, dass sich die Rolle der Frau stark verändert hat. Sie strebt jetzt Selbständigkeit und finanzielle Unabhängigkeit an.
Die veränderte Familienstruktur
Auch die Haushaltsstruktur hat sich verändert. Ein-Personen-Haushalte werden immer mehr, wobei sich ein Trend zur vier bis fünf Generationen-Familie entwickelt. Das heißt, jede Generation hat eine immer älter werdende Nachgeneration, die aber nicht im selben Haus wohnt. Und so genannte „Patchwork- Familien“ kommen immer häufiger vor, da auch eine steigende Scheidungsrate festzustellen ist, und neue Partner bereits Kinder haben und mit in die Familie bringen.
Der Generationenvertrags-Konflikt
Weil es immer mehr ältere Menschen geben wird, wird es auch später mehr geben, die in Pension gehen und für die bezahlt werden muss. In Zukunft werden Erwerbstätige zwar später Steuern und Beiträge für die nächste Generation einzahlen, jedoch für einen längeren Zeitraum, da nicht nur die Nicht-mehr-Erwerbstätigen älter werden, sondern auch die „zahlende“ Generation und somit länger zu arbeiten hat.
Um dies zu verhindern, muss sich vorher die negative Einstellung der Gesellschaft und der Arbeitgeber gegenüber älteren Arbeitern ändern.
Alt werden bedeutet nicht, nichts mehr lernen können. Im Gegenteil, ältere besitzen viel mehr Erfahrungswerte und sind noch immer fähig dazuzulernen.
Durch berufliche Weiterbildung von älteren Arbeitnehmern, könnte der Konflikt mit dem Generationenvertrag vermieden werden und Ältere würden in der Arbeitswelt besser integriert werden.
Das Alltagsleben
Das Altwerden wirkt sich aber nicht nur im beruflichen Bereich aus, sondern auch auf die alltäglichen Dinge des Lebens aus. Die Benützung des öffentlichen Verkehrs, das Finden von ein- Personen-Rationen im Supermarkt, oder sich mit Handys und PC auszukennen, ist für ältere entscheidend. Auch eine passende Wohnung zu finden ist im Alter umso wichtiger. Wirtschaft und Industrie sind also gefordert sich mit der „Gerontotechnik“ auseinanderzusetzen, das heißt die Umwelt altersgerecht zu gestalten.
Die Herausforderung der Altenpflege
Aber vor allem stellt sich eine Frage, wenn nicht die wichtigste.
Wer übernimmt die Alterspflege und gibt es Grenzen in der Familienpflege?
Dies wird eine Herausforderung für Psychologen und für die Gesellschaft.
Einerseits sind Ältere berechtigt und moralisch gilt es als selbstverständlich ihnen Hilfe anzubieten, andererseits sollte Selbstständigkeit und Unabhängigkeit erhalten bleiben.
Und Grenzen in der Familienpflege gibt es sehr wohl.
Das Pflegen von älteren Personen kann oft zur Herausforderung führen, wenn nicht zur Altenmisshandlung.
Sich die Pflege aufzuteilen wird auch immer schwieriger werden, da durch die Kinderlosigkeit immer weniger Geschwister zur Hilfe stehen.
Auch die Entfernung des Wohnortes der Pflegebedürftigen durch die gesteigerte Mobilität ist entscheidend, wie oft die Möglichkeit besteht denjenigen zu pflegen.
Und da eine steigernde Scheidungsrate zu erkennen ist, ist die Forderung etwas gewagt, seinen ehemaligen geliebten Partner im Alter zu pflegen.
Was gebraucht wird, ist also ein Ausbau der ambulanten Pflege, ein zusätzliches Altenpflegepersonal und Qualitätssicherung der Pflege.
Herausforderung für die Umwelt
Psychologen im Bereich der Erziehungsberatung, Familienberatung, Schul- und Berufsberatung, Betriebspsychologen sowie Wirtschaft und Industrie und natürlich Familienpolitiker sind aufgefordert, sich an eine alternde Gesellschaft vorzubereiten, aber auch dementsprechend dagegen zu steuern und eine Familienbildung nicht völlig aus den Gedanken der noch jungen Generation zu verscheuchen.
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