Psychologische Begriffsbestimmungen

Legasthenie 

Über 5% der Schulkinder haben Schwierigkeiten, das Lesen und das Schreiben zu erlernen. Sie leiden unter der Teilleistungsstörung Legasthenie. Trotz großer Anstrengungen gelingt es ihnen nur mühsam, den Anforderungen des Unterrichts zu genügen. Obwohl es inzwischen zahlreiche Untersuchungen über die Lese- Rechtschreibschwäche gibt, ist diese Beeinträchtigung noch immer nicht vollständig erforscht.

Tyler Perrachione und John Gabrieli stellten Personen mit und ohne Dyslexieproblemen die Aufgabe, Sprachbeispiele menschlicher Stimmen nach entsprechendem Training den jeweiligen Sprechern zuzuordnen. Menschen mit Dyslexie schnitten dabei weitaus schlechter ab als ohne diese Störung, wenn das Gehörte aus der eigenen Muttersprache stammte. Handelte es sich hingegen um eine völlig unbekannte Sprache (Mandarin-Chinesisch), so war die Zuordnung bei beiden Gruppen gleich schlecht. Man sieht dies als Bestätigung dafür, dass bei Dyslexie bzw. Legasthenie nicht der Lesevorgang an sich das Problem darstellt, sondern wie das Gehirn den Klang der gesprochenen Sprache hört und verarbeitet. Das Gehirn muss Schriftzeichen in Laute und Wörter übersetzen, um Texte zu verstehen, wobei spätere Legastheniker oft schon im Kindergarten Probleme damit haben, Reime zu entdecken, Anlaute von Wörtern zu identifizieren oder einzelne Laute zu einem Wort zusammenzufügen. Bei der Diagnose und Therapie von Legasthenie gilt es daher, immer verschiedene Ursachen zu berücksichtigen, denn teils haben die Betroffenen auch Probleme mit dem Erinnern von Gehörtem. Während sich Menschen normalerweise fünf bis neun Zahlen, Silben oder Wörter merken können, sind es bei Menschen mit Dyslexie oft weniger als vier, was sich auch auf den Wortschatzerwerb und das Textverständnis auswirkt. Bei anderen Legasthenikern tritt die Leseschwäche oft erst nach völlig unauffälligem Lautspracherwerb auf, bei wieder anderen kann eine schlechte Zusammenarbeit der beiden Augen die Ursache sein.
Quelle: http://www.pressetext.com/news/20110801027 (11-10-07)

Quelle 1: In Quelle 1 findet man eine allgemeine Definition des Begriffs Legasthenie. „Schwäche im Erlernen des Lesens und orthograph. Schreibens bei vergleichsweise durchschnittl. oder sogar guter Allgemeinbegabung des Kindes; äußert sich v.a. in der Umstellung und Verwechslung einzelner Buchstaben oder ganzer Wortteile.“ (Brockhaus 1990, S. 206)

Quelle 2: In diesem Werk führt der Autor zum einen eine pädagogisch-psychologisch und zum anderen eine medizinisch orientierte Begriffsbestimmung durch. Auch hier wird ausdrücklich von durchschnittlicher bis guter Intelligenz der betroffenen Kinder gesprochen. „Unter Legasthenie verstehen wir eine spezielle, aus dem Rahmen der übrigen Leistungen fallende Schwäche im Erlernen des Lesens (und indirekt auch des selbstständigen fehlerfreien Schreibens) bei sonst intakter - oder im Verhältnis zur Lesefertigkeit - relativ guter Intelligenz.“ (Angermaier zit. nach Lindner 1970, S. 21 ff) Die Legasthenie ist eine organische und nicht psychogene, eine genetische und nicht durch Umwelteinflüsse determinierte Störung. (vgl. Angermaier 1970, S. 24 ff)

Quelle 3: Hier wird zwischen 2 Formen der Legasthenie unterschieden. Literale Legasthenie: „Die Störung besteht darin, dass das Kind die Beziehung zwischen dem Grundelement der Schrift, die ja geschriebene Sprache ist, dem Buchstaben und dem Laut nicht herstellen kann“ (Hartmann 1975, S. 10 ff) und verbale Legasthenie: Dabei bildet das Wort Schwierigkeiten für das Kind. (vgl. Hartmann 1975, S. 11 ff).

Quelle 4: In diesem Werk wird ebenfalls, wie bei Hartmann, zwischen den beiden Erscheinungsformen der Legasthenie unterschieden. Bei der literalen Legasthenie handelt es sich, laut dieser Ausführung, um Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Einzelbuchstaben. (vgl. Hägi, Bürli & Mathis 1970, S. 12 ff) Hier wird jedoch im Gegensatz zu den anderen Werken darauf hingewiesen, dass Kinder mit schwächerer Begabung etwas häufiger von Legasthenie betroffen sind. Außerdem ist, laut diesem Werk, bei der Legasthenie die akustische und die optische Wahrnehmung gestört. (vgl. Hägi, Bürli & Mathis 1970, S. 21 ff)

Quelle 5: Hier werden die genauen Erkennungsmerkmale der Legasthenie erklärt.

„Typische Symptome einer Leseschwäche sind das Auslassen, Ersetzen, Verdrehen oder Hinzufügen von Wörtern und Wortteilen, eine niedrige Lesegeschwindigkeit, aber auch ein mangelndes Leseverständnis.“, „Die Rechtschreibschwäche zeigt sich durch alle denkbaren Arten von Rechtschreibfehlern, wobei typischerweise dasselbe Wort immer wieder unterschiedlich fehlerhaft geschrieben wird.“ (Tscharke 2004)

Quelle 6: Der Begriff Legasthenie wird vom lateinischen Wort "legere" (Lesen, Sprechen) und dem griechischen Wort "asthenes" (kraftlos, schwach) abgeleitet und bezeichnet eine anhaltende Schwäche beim Erwerb der Schriftsprache. Laut Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie sind etwa vier Prozent der Schüler von Legasthenie betroffen, Schätzungen zufolge leiden zwei Prozent der Bevölkerung unter schweren und bis zu zehn Prozent unter leichteren Lese-Rechtschreib-Störungen. Diese so genannten Legastheniker haben vor allem Probleme damit, Gesprochenes in Schriftsprache und umgekehrt umzuwandeln. Die Lese-Rechtschreibschwäche tritt meist in den ersten beiden Schuljahren zutage, etwa durch die Unfähigkeit, das Alphabet aufzusagen oder Reime zu bilden. Später werden diese Erscheinungen vor allem durch Lese-Probleme ergänzt. Betroffene vertauschen Buchstaben in einem Wort oder Wörter innerhalb eines Satzes, sie lesen sehr langsam, verlieren dabei oft die Zeile und können Gelesenes nur schwer nach erzählen. Im Gegensatz zu Leseanfängern, bei denen diese Symptome ebenfalls auftreten, lassen sie bei Legasthenikern durch Üben und mit steigender Lese-Routine nicht nach. Zur Abgrenzung von anderen Problemen wird Legasthenie mit Hilfe von Lese- und Schreibtests sowie einem Intelligenztest diagnostiziert. Früh erkannt kann die Lese-Rechtschreib-Schwäche durch spezielle Sprach- und Hörübungen behandelt und ausgeglichen werden.

Zusammenfassende Definition: Bei der Legasthenie handelt es sich um eine Lese- und Rechtschreibschwäche, die bei jedem Intelligenzgrad vorkommen kann, jedoch unabhängig von der sonstigen schulischen Leistungsfähigkeit des Betroffenen auftritt. Man unterscheidet zwischen literaler und verbaler Legasthenie. Legasthenie erkennt man an Symptomen wie zum Beispiel Auslassen, Verdrehen, Hinzufügen von Buchstaben oder einer hohen Anzahl verschiedener Rechtschreibfehler oft beim gleichen Wort.

Verwendete Literatur

Angermaier, M. (1970). Legasthenie - Verursachungsmomente einer Lernstörung.
Weinheim: Verlag Julius Beltz.

Brockhaus, (1990). Brockhaus Enzyklopädie. Mannheim: F.A. Brockhaus.

Hartmann, Gerlinde (1975). Der Legastheniker auf der Unterstufe der Grundschule.
Wien: Pädagogischer Verlag Eugen Ketterl.

Hägi, H., Bürli, A., Mathis, A. (1970). Legasthenie. Weinheim: Verlag Julius Beltz.

Tscharke, G. (2004). Erkennungsmerkmale der Legasthenie.
Online im Internet: WWW:
http://www.br-online.de/wissen-bildung/thema/lernschwierigkeiten/symptome.xml

Legasthenie/Lese-Rechtschreib-Schwäche
WWW: http://www.focus.de/schule/schule/bildungspolitik/das-focus-schule-lexikon_aid_23969.html
?id=42&buchstabe=L&begriff=Legasthenie


Siehe auch das
Lexikon für Psychologie und Pädagogik

Zu weiteren psychologischen Begriffen


Siehe auch: Legasthenie

Das Wort Legasthenie kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Schwierigkeiten mit Worten oder der Sprache“. Die betroffenen Personen (Legastheniker) haben häufig Probleme mit der Umsetzung der gesprochenen zur geschriebenen Sprache.

Ursprünglich war Legasthenie der nur in der Medizin oder vor allem in der Psychologie benutzte Begriff für eine Lese-Rechtschreib-Schwäche und die daraus resultierenden Probleme. So wurde der Begriff Legasthenie 1916 von dem ungarischen Psychologen Pál Ranschburg geprägt. In der Pädagogik sprach und spricht man eher von einer „isolierten Lese-Rechtschreib-Schwäche“ oder einer „Teilleistungsstörung bei normal begabten Kindern“.

„Isolierte Legasthenie ist dann anzunehmen, wenn die Lesestörungen nicht durch andere zugrunde liegende periphere und zentrale Faktoren erklärt werden können“ (Bleidick, 1963, S. 20).

„Legasthenie ist eine spezielle, aus dem Rahmen der übrigen Leistungen fallende Schwäche im Erlernen des Lesens (und indirekt auch des selbständigen orthographischen Schreibens) bei sonst intakter (oder im Verhältnis zur Lesefertigkeit relativer) Intelligenz“ (Linder, 1951, S.100).

Nach Walter unterscheiden wir zwei Erscheinungsformen der Legasthenie:

„Obwohl Konstitution und Erblichkeit als wichtiger Faktor betrachten werden, scheint es auch klar, dass nicht allen Legasthenie angeboren ist, sondern dass es auch exogen und emotional reaktionsbedingte Formen gibt“ (Klasen, 1970, S.12).

Auf die folgende Definition einigte sich das Bildungsministerium der EU-Mitgliedsstaaten bei der Konferenz „Action for Dyslexia“ 1994 im Europäischen Parlament in Brüssel:

„Legasthenie bedeutet Schwierigkeiten mit der Sprache - mit Buchstaben oder Wörtern - so dass die auffälligsten und hartnäckigsten Probleme beim Lesen und Schreiben auftreten; dazu kommen scheinbar unüberwindliche Rechtschreibschwierigkeiten und Gedächtnisprobleme. Besonders an Sequenzen, wie die Wochentage und die Monate des Jahres, erinnern sich Betroffene schlecht. Die persönliche Organisationsfähigkeit lässt in fast allen Bereichen zu wünschen übrig.“

„Als Ursache wird vermutet, dass genetische Einflüsse oder Schädigungen während Schwangerschaft und Geburt die Informationsverarbeitung im Gehirn beeinflussen und so eine umschriebene Entwicklungsstörung begründen. Das Elternhaus und das Umfeld des Kindes dagegen haben bezüglich der Ursachen der Störung nur wenig Bedeutung“ (OnVista Media GmbH, 2005).

Unterschiede und Gemeinsamkeiten:

Die Definition Lese-Rechtschreib-Schwäche war eigentlich in allen 5 Quellen dieselbe. Unterschiede ergaben sich jedoch aus den verschiedenen Erscheinungsformen. Auch für die Ursachen gibt es verschiedene Erklärungen. Einerseits gibt es jene, die meinen, dass der Begriff Legasthenie nur für Personen, denen die Krankheit angeboren ist, gilt. Andere schließen auch jene Menschen in die Definition mit ein, bei denen die Krankheit aus dem Umfeld (Vernachlässigung durch Erwachsene, gestörtes Lehrer-Kind-Verhältnis) resultiert.

Zusammenfassende Definition:

Legasthenie bedeutet Schwierigkeiten mit Worten oder der Sprache, das heißt eine Lese-Rechtschreib-Schwäche. Oft ist auch die persönliche Organisationsfähigkeit nicht besonders gut ausgeprägt. Genetische Einflüsse oder Schädigungen die die Informationsverarbeitung im Gehirn beeinflussen, werden als Ursache vermutet.

Verwendete Literatur

Klasen, E. (1970). Das Syndrom der Legasthenie. Unter besonderer Berücksichtigung physiologischer, psychopathologischer, testpsychologischer und sozialer Korrelate. Bern Stuttgart Wien: Hans Huber.

Online im Internet: http://www.onmeda.de/krankheiten/legasthenie.html (05-10-31)
OnVista Media GmbH (2005). Legasthenie.

Schenk-Danzinger, L. (1968). Handbuch der Legasthenie im Kindesalter. In H. Hägi, A. Bürli & A. Mathis (Hrsg.), Legasthenie. Ursachen, Erscheinungsformen, Erfassung, Behandlung. (S. 11-25). Weinheim Berlin Basel: Julius Beltz.

Valtin, R. (1970). Legasthenie – Theorien und Untersuchungen. Weinheim Berlin Basel: Julius Beltz.

WWW: http://de.wikipedia.org/wiki/Legasthenie (05-10-31)
Ohne Autor (2005). Legasthenie.

Was Eltern über Legasthenie unbedingt wissen sollten

1. Was sind typische Fehler für einen Legastheniker?

Immer wieder taucht in der Fachliteratur das Märchen von den typischen Fehlern auf. Dabei gibt es sie gar nicht. Kinder mit großen Schwierigkeiten beim Lesenlernen oder der Rechtschreibung machen so ziemlich alle Fehler, die man sich vorstellen kann. Sie sind meist nicht in der Lage, Wortbilder korrekt abzuspeichern, Rechtschreibstrategien zu entwickeln und/oder gehörte Laute richtig abzubilden. Anstatt sich zu merken, dass der Tiger nur mit einem i geschrieben wird, findet man bei ihnen immer wieder andere Schreibweisen (z.B. Tieger, Tihger, Tiger, Tige, Tiker). Sie raten jedes Mal aufs Neue, und manchmal liegen sie damit natürlich auch richtig. Aber auch bei Wörtern, die beispielsweise über eine Wortfamilie leicht zu erschließen wären, scheitern Legastheniker. Die Erkenntnis, dass Fahrrad von fahren und Rad hergeleitet werden kann, braucht bei ihnen wesentlich länger als bei anderen, weil auch dieser Wortschatz nicht gesichert ist. Da die Zeit solches Wissen aufzuholen in der Schule meistens nicht zur Verfügung steht, erweitert sich der Abstand zu den Klassenkameraden von Tag zu Tag mehr.

2. Wann kann man eine Legasthenie frühstmöglich erkennen?

Schon ab der ersten Klasse gibt es wissenschaftlich überprüfte Testverfahren, mit denen die Rechtschreibentwicklung von Schulkindern überprüft werden kann. Zumindest einen ersten Hinweis ergeben diese Verfahren auf jeden Fall, auch wenn sie im Laufe des nächsten Schuljahres unbedingt gegengeprüft werden sollten. Aber auch für Vorschulkinder gibt es schon ein Screening (BISC / Bielefelder Screening), das zwar noch keine Legasthenie feststellt, aber die mögliche Gefährdung von Kindern aufzeigt. Zeigen sich hier erste Auffälligkeiten, so kann die Problematik schon durch frühe Förderung im Kindergarten, in der Vorschule oder in der ersten Klasse weitgehend entschärft werden. Spezielle Fördermaterialien oder Spiele schärfen hier die Wahrnehmung der Vorschulkinder durch spielerisches Üben beispielsweise mit Reimen und Liedern.

3. Haben Kinder mit Legasthenie nur im Deutschunterricht Probleme?

Anfangs beschränken sich die Probleme, die sowohl im Lesen als auch in der Rechtschreibung auftreten können, auf den Deutschunterricht. Je weiter ein Kind jedoch in der Schule voranschreitet, desto stärker werden diese so genannten Kulturtechniken auch in allen anderen Fächern benötigt und bewertet. Textaufgaben müssen gelesen und verstanden werden, im Sachunterricht gilt es, durch das Lesen Zusammenhänge zu verstehen oder kleine Texte fehlerfrei zu verfassen. In der weiterführenden Schule werden das schnelle Erfassen von Texten und eine korrekte Rechtschreibung dann immer wichtiger. Zunehmend fließen die Rechtschreibnote und das Leseverständnis in die Gesamtbewertung ein, besonders im Gymnasium.

4. Was sind die Ursachen für eine Legasthenie?

Diese Frage ist leichter gestellt als beantwortet. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist diese Störung beim Schriftspracherwerb bekannt, doch eine einheitliche Ursache ist seitdem nicht gefunden worden. Immer noch geht man von unterschiedlichen Faktoren aus, die Ursache für eine Legasthenie sein können. Es gibt familiäre Häufungen, aber das Legasthenie generell ist erblich ist, ist dadurch nicht gesichert. Auch bestimmte Grundfunktionen, wie die auditive oder die visuelle Wahrnehmung, werden immer wieder als Ursache genannt. Auch im motorischen Bereich, in der Zeitverarbeitung sowie in dem Zusammenwirken der rechten und linken Gehirnhälfte wurden Defizite entdeckt und mit der Legasthenie in Zusammenhang gebracht. Nach dem gegenwärtigen Wissensstand ist festzustellen, dass die Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Schreibens auf Besonderheiten bei der Informationsverarbeitung zurückzuführen sind, genaue Zusammenhänge sind bislang jedoch nicht bekannt.

 

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